Sommerloch
Das Sommerloch ist eine Bezeichnung in Bezug auf die Massenmedien, besonders der Tagespresse und der Nachrichtenagenturen, für eine nachrichtenarme Zeit, die vor allem durch die Sommerpause der politischen Institutionen und Sport-Ligen, ferner auch der kulturellen Einrichtungen bedingt ist. Das ist zumindest die Definition, so wie sie bei Wikipedia steht.
Ein Sommerloch kann aber auch das sein: Man fühlt sich sehr lange sehr allein, bevor dann die herbeigesehnte Depeche-Mode-Tour beginnt. Die zelebriert man mit seinen Freunden und kehrt dann im Juli zurück. Zurück in die eigene Bude, wo die guten, alten Bekannten auf einen warten – also all die Probleme und Unzulänglichkeiten und Hürden des Lebens, die man zuvor monatelang gekonnt ausblendete. Zurück aus Italien betritt man die Wohnung und die Schatten schnappen nach einem, so wie sich Flammen am Lagerfeuer gierig durchs Holz fressen. Und dann fällt man … in sein own personal Sommerloch.
Die meisten von euch kennen vermutlich diese Post-Konzert- oder -Festival-Depression. Erst ist man komplett on fire und dann von einer Sekunde auf die nächste ist alles vorbei. Ich glaube, das ist für niemanden ein schöner Zustand. Auch nicht, wenn man zur Familie, zum Partner und zu einem geregelten Leben zurückkehren kann.
Aber dahin kehre ich ja nicht zurück. Hier ist ja niemand, der auf einen wartet. Ich soll nicht vergessen, dass ich aber doch immerhin tolle Freunde habe? Ja, stimmt, habe ich. Das ist ja Teil des Entzugs, dass diese Menschen, die so weit verstreut wohnen, mir jetzt aktuell eben nicht mehr das Leben versüßen. Und egal, wie sehr sie sich um mich bemühen: Sie können es auch nicht ändern, dass hier niemand ist, der mich in Empfang nimmt.
Ich glaube, ich habe es auch hier auf dem Blog schon geäußert: Ich kann mir einfach nicht mehr vorstellen, eine richtige Beziehung zu führen. So, wie mein Leben „funktioniert“, passt da kein Mensch rein. Das ändert aber nichts daran, dass das Alleinsein einen manches Mal auffressen kann. Gerade, wenn wieder – so wie jetzt – so ein einsamer Abend langsam dem Ende entgegengeht.
Mitternacht ist vorbei, der August hat soeben begonnen. Also noch ein knappes halbes Jahr, bis es noch einmal einen kleinen Konzert-Nachschlag zur Tour gibt. Bis dahin versuche ich, mich irgendwie über Wasser zu halten. Indem ich was mit Freunden unternehme. Ich reiße hier hin und wieder ein paar Kilometer runter mit Krücke, am kommenden Wochenende bekomme ich Besuch aus Wien und Köln von Sandie und Feli. Ich weiß, dass mir das Spaß machen und gut tun wird. Trotzdem ändert es nichts an der Einsamkeit und am Alleinsein.
Liebeskummer ist was Furchtbares. Aber ganz ehrlich: Sich nicht mehr wirklich erinnern können, wie sehr einem Liebeskummer das Herz zerreißen kann, ist auf eine merkwürdige Art fast noch schlimmer. Es ist wie so ein Phantomschmerz. Es ist auch kein stechender Schmerz. Eher dumpf, sodass man unterschwellig immer bemerkt, dass er da ist – und dadurch daran erinnert wird, dass irgendwas fehlt.
Kennt ihr diese schlauen Spruchkacheln, die man so gerne auf Facebook teilt? Die, die einem immer deepe Lebensweisheiten und Motivations-Pisse mit auf den Weg geben wollen? Auf solchen Dingern lese ich manchmal, dass man nur geliebt werden kann, wenn man sich selbst liebt. Ganz ehrlich? Das halte ich für gefährlichen Quatsch. Immerhin suggeriert es jemandem wie mir, dass man nur dann wert ist, geliebt zu werden, wenn man selbst mit sich im Reinen ist. Bin ich aber nicht und werde es auch lange nicht sein. Und das kann unmöglich bedeuten, dass ich deswegen keine Liebe in meinem Leben verdient habe.
Vielleicht ist ja auch alles richtig mit mir und ich hab einfach mein Kontingent an Liebe schlicht aufgebraucht? Es gibt Menschen, die haben nie wirklich geliebt oder schlimmer noch: wurden niemals geliebt. Ich hab zweimal von ganzem Herzen geliebt und in Summe so immerhin 15 glückliche, zweisame Jahre verbracht. Vermutlich ist das schon ein ganz ordentlicher Schnitt.
Aber hey, das ist vermutlich eh keine so gelungene Idee, hier über Liebe philosophieren und referieren zu wollen. Das ist so, als würde jemand, der vor 20 Jahren erblindet ist, euch alle Farben der Welt erklären wollen. Farben, die er nur noch sehr entfernt erinnert. Es ist ja auch tatsächlich kein Weltuntergang, hier allein zu hocken. Es ist, wie es ist und ich weiß natürlich, dass es anderen Menschen noch viel schlimmer geht als mir.
Also versuche ich jetzt, mich durchs nächste halbe Jahr zu hangeln und mich auf Dinge zu freuen, die deutlich realistischer für mich sind als so abstrakter Kram wie Liebe. Diese dann ab Januar kommenden Konzerte sind für mich so etwas wie die Möhre, die man dem Esel vor die Nase hält, damit er läuft. Bedeutet auch, dass ich noch knapp sechs Monate Zeit habe, mir bis dahin die nächste Möhre zu suchen, die mich dann motiviert, irgendwie wenigstens ein bisschen nach vorn zu blicken.
Ich freue mich immer, wenn ich zum Ende eines Blogbeitrags die Kurve bekomme. Dann kann ich irgendwie ein positives Fazit ziehen, einer Situation zumindest irgendwas Gutes abgewinnen oder so ähnlich. Inn diesem Beitrag schaffe ich das nicht. Es gibt auch nicht so etwas wie eine „Moral von der Geschicht'“ oder so. Ich schicke das Ding hier jetzt gleich auf die Reise, mach die Monitore aus und dann schluffe ich rüber ins Bett. Da vertreibe ich mir die Zeit bis zum Einschlafen dann wieder mal mit einer Episode eines True-Crime-Podcasts. Zum Glück wartet im Bett ja niemand auf mich – nicht auszudenken, wenn diese Person versuchen würde, mir meine allabendlichen Serienmörder-Podcasts auszureden.
Vermutlich lässt euch dieser Text ebenso ratlos zurück wie mich. Was will uns der Autor mit diesen Zeilen sagen? Weiß er selbst nicht. Sommerloch halt. Vielleicht ist es aber auch einfach nur eine Fingerübung, um zu sehen, ob man das überhaupt noch kann, dieses Bloggen. Ich will mich bei Gelegenheit mal wieder über And One auskotzen, will noch über die DM-Tour schreiben und so vieles andere – da muss man ja irgendwie erst einmal wieder in den Flow kommen, oder? Sucht also bitte nicht nach einer tieferen Message hier. Immerhin habt ihr ja nix verloren – okay, ein paar Minuten eures Lebens, aber die hättet ihr sonst bestimmt auf TikTok oder Insta verbracht und dort ist eure Zeit auch nicht viel sinnvoller investiert.
Sei es drum, ich wünsche euch eine gute Nacht und verkrieche mich jetzt wieder in meiner Festung der Einsamkeit mit all meinen Schatten, Ängsten und meinen Serienkiller-Podcasts.