Donald Trump, der Friedenspräsident
Wenn man als Mensch wachsen will, muss man an irgendeinem Punkt in seinem Leben dort ankommen, dass man seine eigenen Worte und sein eigenes Handeln reflektiert und eventuelle Fehler einsieht.
Also bitte – hier sind wir nun: Ich lag falsch. Da, ich hab es gesagt! Ich habe Donald Trump tatsächlich komplett unterschätzt. Ich hielt ihn für einen widerwärtigen, gefährlichen, zutiefst narzisstischen Menschen, der lieber Öl ins Feuer gießt, als auch nur einmal in sich zu gehen, nur einmal einen Fehler einzugestehen, und nur einmal jemanden außer sich selbst zu loben.
Doch siehe da: In nur acht Monaten hat er acht Kriege beendet. Er hat das ewige Gleichgewicht im Nahen Osten hergestellt und Frieden auf Erden verkündet. Halleluja! Der Messias des Westens hat zu uns gesprochen – und die Welt, samt Medien, verneigt sich vor dem großen Friedensstifter.
Was ich derzeit beobachte, lässt mich kotzen: Selbst in seriösen Redaktionen scheint man derzeit den Weihrauch auszupacken. Die Jüdische Allgemeine fordert lautstark den „Friedensnobelpreis für Donald Trump!“
Nachrichten-Magazine singen plötzlich Lobeshymnen auf Trump und sprechen von Trumps „mutiger Diplomatie“, „von seiner visionären Rolle in Nahost“, und der Friedensnobelpreis scheint ja abei auch irgendwie nur noch Formsache zu sein, oder?
Eine Sache zu dem Nobelpreis: Ich schreibe diesen Beitrag in den ersten Stunden des 10. Oktobers – heute wird in der Tat der Friedensnobelpreis verliehen. Und nach allem, was wir bislang wissen, erhält Trump ihn nicht. Das hängt aber damit zusammen, dass schon im März die Frist ablief, die einen Menschen für diese Auszeichnung qualifizieren kann. Seine drölf Zillionen Kriege hat er aber erst danach beendet.
Das ändert aber nichts an zwei Dingen: Viel zu viele Medien, Institutionen und Menschen fordern den Preis dennoch für ihn und zweitens bringt er sich mit seiner acht-Kriege-beendet-Rhetorik natürlich direkt in Stellung fürs nächste Jahr. Und ja: Das alles wäre zum Lachen, wenn es nicht so erschütternd wäre.
Haben wir echt mal kurz vergessen, wer Donald J. Trump ist?
Es ist wirklich kaum zu fassen, wie kurz das kollektive Gedächtnis anscheinend nur noch zu funktionieren scheint! Donald J. Trump? Seriously? Wir reden von einem Mann, der einen behinderten Journalisten auf offener Bühne verspottete und nachäffte. Der Kinder von ihren Eltern trennte und sie in Käfige stecken ließ. Der die Demokratie seiner eigenen Nation verriet, indem er zum Sturm auf das Kapitol anstachelte – und der die Täter dieser beispiellosen Attacke, die zu mehreren Toten führte, allesamt begnadigte und freiließ.
Das ist der Donald Trump, der aus internationalen Abkommen austrat, humanitäre Hilfsprogramme kappte, Klimaabkommen zerriss und Kriegsrhetorik zur Kommunikationsstrategie machte. Im Ernst: Er hat den Verteidigungsminister in Kriegsminister umgetauft – nichts schreit lauter nach Frieden als so eine symbolträchtige Tat, richtig?
Und genau dieser Mensch wird jetzt als Friedensbringer gefeiert, weil er sich in einem Konflikt engagiert, den er selbst noch weniger verstanden hat als die Funktionsweise von Strafzöllen.
Es ist, als würde die Welt vergessen, dass Frieden nicht einfach nur die Abwesenheit von Bomben ist. Zu Frieden gehört, dass man sich in den anderen hineinversetzt – etwas, was wahrlich nicht die Stärke dieses Empathie-Legasthenikers ist. Zum Frieden gehört auch Dialog, gehört Gerechtigkeit und Kompromissbereitschaft.
Trump versteht Frieden anders. Frieden ist dann, wenn alle tun, was er will/sagt. Und er bestimmt, wer im Krieg der Gute und wer der Böse ist. Und die immer schrumpeliger werdende Präsidentendarsteller-Orange ist mittlerweile so dement und so frei von jeglichem Talent, Konflikte wirklich durchdringen zu können, dass die Frage nach Gut und Böse gerne auch mal täglich wechseln kann. Für Trump ist Frieden auch (wieder einmal) ein Machtspiel. Frieden gibt es nur, wenn man sich ihm unterwirft.
Trump: Die beschissenste Heldenreise der Welt
Nochmal kurz zusammengefasst: Donald Trump – das ist der Typ, der 34-fach verurteilter Straftäter ist, dem die Washington Post über 30.000 Lügen nachweist, der Journalist:innen als „Feind des Volkes“ bezeichnet, der humanitäre Hilfe ebenso absägt wie medizinische Hilfe fürs eigene Volk, der wirklich jeden politischen Gegner maßlos beschimpft und jüngst sogar forderte, einen demokratischen Bürgermeister ohne Angaben von Gründen einsperren zu lassen. Klingt super friedlich, was?
Er ist der Mann, der rechtsextreme Gewalt duldet und verharmlost („very fine people on both sides“, ihr erinnert euch), der tagtäglich hetzt und spaltet, der internationale Abkommen wie den Atomdeal mit Iran mit Füßen trat, der auch aus dem Pariser Klimaabkommen austrat und das Militär in die Städte seines eigenen Landes einrücken lässt.
Der Trump, der Gewalt verherrlicht, diplomatische Beziehungen zerstört (außer, es geht um einen autokratischen Herrscher), der Religion instrumentalisiert, der weder Gerichte noch die Verfassung achtet und nicht ernsthaft daran denkt, den Job nach seiner zweiten Amtszeit an den Nagel zu hängen.
Ich hab einfach nur ein paar Punkte genannt, die mir gerade in den Sinn kamen. Die Aufzählung ist meilenweit entfernt von „komplett“. Klingt das nicht nach der beschissensten Heldenreise der Welt?
Was mich dabei vielleicht am meisten wütend macht: nicht Trump selbst, sondern die Bereitschaft so vieler, seinen PR-Scharaden wieder einmal auf den Leim zu gehen. Wo kommt das her? Ist das diese kollektive Sehnsucht nach einem einfachen Helden, nach einem vermeintlichen Retter, der mit markigen Sprüchen und kräftigem auf-den-Tisch-Hauen den Planeten rettet?
Was lässt Leute glauben, dass man ihm den Friedensnobelpreis geben könnte? Und versteht mich bitte nicht falsch: Müsste ich feststellen, dass Trump da total clever den Frieden ausgehandelt hat, ich würde es anerkennen. Ja, zähneknirschend, aber ich würde es anerkennen. Hat er aber nicht!
Vergesst nicht, dass Trump nichts anderes ist als der Schulhof-Bully. Der König der Schulhof-Bullys. Er schafft Frieden – wenn er ihn denn schafft, schönen Gruß nach Kiew – indem er den Protagonisten Schläge androht. Macht, was ich sage, oder es gibt ordentlich ins Maul.
Wenn er eine Rolle spielen wird auf dem Weg in eine friedlichere Welt, müssen wir ihm das geben. Ich würde es hassen, aber akzeptieren. Aber Frieden erhält man nicht, indem man so vorgeht wie auf dem Schulhof: „Gib mir dein Pausenbrot, sonst gibt’s in die Schnauze!“ Aber genau das geschieht hier. Wir lassen zu, dass er versucht, Frieden mit seiner Bully-Denke zu schaffen. Das geht so nicht, Freunde.
Das Zeichen, was das in die Welt sendet, wäre ja: Es lohnt sich, unangemessen mit Gewalt, Strafzöllen oder sonst was zu drohen. So darf das Spiel aber nicht funktionieren – niemals! Frieden ist eine große Sache. Das gilt natürlich auch – oder erst recht – aktuell für den Nahost-Konflikt.
Glaubt mir bitte, dass ich ebenfalls alle Daumen drücke, damit jetzt schnellstmöglich die israelischen Geiseln freikommen und die Palästinenser zurück in ihre Gebiete kehren dürfen. Logisch, dass die Menschen dort jetzt jubeln und nach diesem Friedens-Strohhalm greifen.
Aber es ist für mich ein Stich ins Herz, wenn Menschen sowohl in Israel als auch im Gaza-Streifen Trumps Namen skandieren. Den Namen des Mannes, der bis vor kurzem noch plante, die Palästinenser aus dem Land zu fegen und sich dort ein milliardenschweres Ressort zu erschaffen. Und es ist ebenfalls ein Stich ins Herz, die Medien zu verfolgen, die mit dieser „Hui, das muss man ihm aber mal lassen“-Attitüde plötzlich Lobeshymnen auf Trump singen.
Ich persönlich denke Folgendes: Wenn die Welt ihm tatsächlich den Friedensnobelpreis verleiht – egal ob heute oder in einem Jahr, dann ist das kein Triumph für den Frieden, sondern ein Armutszeugnis für die Menschheit. Dann hätten wir diesen kostbaren Preis komplett entkernt, beschmutzt und für immer entwertet. Und wie es von diesem Punkt aus weiterginge, steht noch absolut in den Sternen – und ich habe gerade zu viel Schiss, um mir das überhaupt vorzustellen.