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Song der Woche [6]: Nirvana – Smells like Teen Spirit

Der sechste Song der Woche und der erste, der Nicht aus den Achtzigern stammt oder noch früher. Irgendwie ist die Nummer aber auch uralt, denn wir reden vom Anfang der Neunziger. Ich muss ein wenig schmunzeln beim Gedanken an meine „Song der Woche“-Playlist, in der nun Nirvana auf Culture Club folgt, aber das kratzt mich natürlich nicht 😉

Ich kann mich sogar noch genau erinnern, wo ich mich befand, als ich erstmals diesen Song hörte. Ich saß mit Beiny beim Schrä. In der Konstellation saßen wir damals oft am Wochenende zusammen und nicht nur dann. Meistens waren wir zu viert: Beiny, Schräder, Kronen und ich. Es gab wieder einmal einen Aufbaukurs „Vernichtung der 20er Turnier-Box Kronen – leicht gemacht“. Wir tranken viel Kronen Pils damals. Sehr viel Kronen Pils. Ich erinnere mich an einen besonders legendären Abend, an dem wir nach dem Fußballspielen wieder mal bei Schrä einkehrten. Wir waren zu fünft und hatten vier Kästen Bier, wobei einer von uns – Holly — nur seine zwei Pullen roten Genever gesoffen hat. Holly hat sich dann auch flott Schlafen gelegt. Wir anderen sagten uns, wenn wir das heute alles wegsaufen, melden wir uns Montag geschlossen beim Blauen Kreuz zur Entgiftung an. Tatsächlich haben wir nach dem letzten Bier dann noch geschaut, wie viel Kleingeld wir zusammen bekommen und haben noch ’ne Kiste gekauft. Das war der Abend, an dem Schrä mit einem Schwert einen Gartenstuhl durchgewemst hat und wir irgendwann alle in den Garten flüchten mussten, weil jemand mit der Gaspistole im Wohnzimmer von Schräs Eltern rumgeballert hat. Verrückte Zeiten …

Aber ich schweife ab. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Beiny, Schrä und ich saßen eines abends zusammen und schauten uns irgendwas auf MTV an. Für meine jüngeren Leser: Damals ™ gab es dort noch Musik rund um die Uhr. Irgendwann begann folgender Clip:

Ich kann nicht mehr genau erklären, was damals durch meinen Kopf ging. Die Idee, mir die Haare lang wachsen zu lassen und optisch mehr so in der Holzfäller-Abteilung unterwegs zu sein, musste mir jedenfalls kurze Zeit später gekommen sein. Die Wut, die Energie, der pure Rock’n Roll — all das holte mich so dermaßen ab seinerzeit. Depeche Mode waren damals — es war Winter 1991 — irgendwie untergetaucht. Ich bin eine treue, loyale Seele und das gilt natürlich auch für meine Lieblingsband, aber zu der Zeit damals waren alle Schalter auf Grunge geknipst.

Hätte der unvergessene Kurt Cobain gewusst, was er da damals angerichtet hat — vielleicht hätte er diesen Song niemals veröffentlicht und würde vielleicht heute noch Leben. Irgendwo hab ich neulich gelesen, dass er so eine Wut auf Mainstream-Musik hatte und den Rock töten wollte. Und auf einmal war er der Mainstream und Rock tötete ihn. Aber all das konnte die Band aus Seattle nicht erahnen, als sie bereits im Jahr 1990 die Demos in wenigen Tagen einspielten, die später mal „Nevermind“ ergeben würden, jenes zweite Album der Band, mit dem man dann im Alleingang Indie-Rock und Grunge plötzlich massentauglich machte.

Mit dem Debütalbum hatte die Band schon gezeigt, dass sie all das in sich hatte, was sie später zum Sprachrohr einer ganzen Generation machen sollte, aber brauchte anscheinend erst noch einen pfiffigen Produzenten wie Butch Vig, der die Lieder so arrangierte, dass Nevermind [Partner-Link] dann so durch die Decke gehen konnte. Wenn man die kreischenden Gitarren und die wütende Stimme Kurts mal beiseite lässt, kann man erkennen, dass Nevermind im Grunde ein Album voller blitzsauberer Popsongs ist. Jede Menge Arbeit und Kohle wurden investiert, damit dieses Album so klingt, als hätte man es in irgendeiner versifften Garage eingespielt. Aber so oder so ist Nevermind nach wie vor einer der Meilensteine der Rockgeschichte und Smells like Teen Spirit ist der Song, der Nirvana damals in den Rock-Olymp katapultierte.

Ich glaube, ich habe es vorher und auch danach nie wieder erlebt, dass Musik so einen Impact auf mein persönliches Umfeld hatte. Wir waren musikalisch ein ziemlich versprengter Haufen: Leuchte, Schmeidel waren die Rap-Fraktion unserer Clique, Walde war dem Hardrock verfallen, Koch war ein Alt-Punk und ich war halt der Typ aus der dunklen Abteilung — Depeche Mode, Silke Bischoff, Deine Lakaien, dies das. Bereits als Faith No More mit „The Real Thing“ Rap mit Metal kombinierten zeichnete sich ab, dass unsere lustige kleine Gang plötzlich wieder musikalisch auf einen Nenner kommen könnte. Später verfestigten Bodycount diesen Eindruck noch und plötzlich war Crossover in aller Munde. Auf einmal konnte jeder Musikstil mit jedem vermischt werden und herauskamen damals so unfassbare Songs, die ich heute noch abgöttisch liebe. Aber da ich jetzt wieder zu sehr abschweife, erzähle ich euch dazu ein anderes Mal mehr.

Für mich war jedenfalls dieser Nirvana-Moment bei Schrä entscheidend. Dieser kleine Depeche-Teufel, der auf meiner Schulter saß und mir erklärte, dass Gitarren im Grunde böse sind, hielt ja eigentlich schon das Maul, seit Martin Gore ab 1987 mit Gitarre auf der Bühne stand. Aber die zumindest etwas härtere Gangart lernte ich erst Anfang der Neunziger für mich kennen und schätzen. Ich erwähnte es oben schon — ich ließ mir die Haare wachsen und ich glaube, dass diese Phase bis 1993 oder 1994 andauerte.

Wir etablierten für uns damals einen Zwiebel-Look, der so ein bisschen an Sheldon Cooper erinnert, der sich auch stets seine Shirts über seine Langarm-Klamotten zieht. Man zog also damals immer das längste Teil zuerst an: Erst die Jeans, dann darüber Basketball-Shorts, obenrum erst ein Longsleeve, dann ein Hemd oder Shirt, darüber noch eine Weste. Das karierte Hemd — oder ein zweites kariertes Hemd gerne auch mal umgeknotet, das wäre mit meiner Pauke heute gar nicht mehr möglich. Fotos von damals habe ich leider schrecklich wenig und wenn man so welche wie dieses hier, welches ganz augenscheinlich erst 1993 gemacht wurde.

Ich Mitte der Neunziger mit langen Haaren und Dosenbier.

Der Profi erkennt nicht nur den erwähnten Zwiebel-Look und Depeche-Devotionalien, sondern auch, dass ich auch damals vor knapp 30 Jahren längst schon Bier-Connaisseur der Extraklasse war.

Schon damals war ich es gewohnt, dass die Bäume für mich finanziell nicht in den Himmel wachsen und so konnte man nicht so auf Konzerte gehen, wie man das vielleicht gerne wollen würde. Das ist dann auch meine miese Ausrede dafür, wieso ich damals keine Konzertkarte für Nirvana in Düsseldorf kaufte. Das Konzert fand bekanntlich nicht mehr statt. Kurt war gesundheitlich schon längst angeschlagen und die Drogensucht tat ihr übriges. Er kam ins Krankenhaus, versuchte sich mit Pillen umzubringen und schließlich tat er es dann auch — mit Heroin im Blut schoss er sich die Birne weg, sein Abschiedsbrief endete mit den Worten: „It’s better to burn out than to fade away.“ Ich weiß gar nicht mehr, aus welchem Song der Satz stammt. Dave Gahan würde — ebenfalls schwer drogensüchtig — später sagen, dass ihm Kurt Cobain die Idee gestohlen hat.

Einige Freunde hatten Karten für das Konzert in Düsseldorf und auch, wenn wir nicht mehr wirklich in Kontakt stehen heute, bin ich überzeugt davon, dass sie diese Karten alle heute noch besitzen. Ich kann mich jedenfalls an niemanden erinnern, der damals nach Cobains Selbstmord auch nur im Traum daran gedacht hätte, diese Karte wieder zurückzugeben. Mit diesem Kopfschuss hat Kurt dann wohl auch endgültig den Grunge erschossen, wobei der 1994 eh nur noch zuckte. Im Fahrwasser von Nirvana waren in den Jahren damals Musik-Götter wie Pearl Jam, Soundgarden, Alice in Chains und viele mehr in den Mainstream geschwappt. Diese Bands blieben, aber der Seattle-Hype war flott vorbei.

Damit das jetzt hier nicht so traurig und wehmütig endet, muss ich noch irgendwas weniger Trauriges erzählen, glaube ich. Wusstet ihr, dass der Songname auf ein Deodorant für Teens zurückgeht? Teen Spirit hieß der Spaß nämlich und die Masse der weiblichen Teenager in den USA roch damals so. Cobain hatte davon keine Ahnung, als er sah, dass eine Freundin ihm den Satz „Kurt smells like Teen Spirit“ an die Wand gesprüht hatte. Er dachte wohl, dass sie ihm da irgendeine echt deepe Message hinterlassen hatte. Als er kapierte, dass es um Deo geht, war der Song längst veröffentlich. Ähnlich wie Grunge hielt auch der Hype ums Deo nicht besonders lange, zwei Sorten davon gibt es aber wohl heute noch zu kaufen.

Teen Spirit Deodorant der Sorte "Pink Crush"
DAS riecht nun wirklich mal nach Teen Spirit

Übrigens ist aus dem weltberühmten Baby vom Nevermind-Cover — Spencer Elden — einfach mal nichts geworden. Der gute Mann nennt sich zwar Künstler, aber alles, was man von ihm wahrnimmt, sind Interviews zum Cover und gelegentliche Foto-Neuauflagen besagten Covers. Das muss man auch erst mal hinbekommen, dass sich das ganze eigene Leben nur darum dreht, dass man auf einem Plattencover war.

Ich glaub, ich kann den Text auch nicht beenden, ohne auf eine weitere große Grunge-Band hinzuweisen: Sadgasm mit Homer Simpson am Mikrofon. Bei den Simpsons gab es damals eine großartige Persiflage auf die ganze Grunge-Zeit mit coolen Songs und vielen Anspielungen — beispielsweise auch auf „Zurück in die Zukunft“.

„Smells like Teen Spirit“ ist übrigens beileibe nicht mein liebster Nirvana-Song, eigentlich sogar nicht mal in den Top Ten. Aber es ist ein außergewöhnlicher Song, der damals so unendlich viel in Gang gesetzt und bewegt hat. Die Musikwelt wäre heute eine andere ohne diesen Song und ja, auch ich hätte eine ganz andere Entwicklung genommen, wenn es damals nicht dieses Lied gegeben hätte.

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