Privates

Fernweh

Sonntagabend, Tatort und Anne Will sind vorbei, was bedeutet, dass eine neue Woche vor der Tür steht. Ich bin wieder in einem strukturierteren Alltag gelandet, nachdem ich wochen- oder sogar monatelang herumvegetiert habe ohne festen Ablauf. Dennoch fühlt es sich anders an als die meisten anderen Sonntagabende in meinem Leben — eben so, wie sich so vieles in unseren Leben in diesen verrückten Zeiten anders anfühlt als vor der Pandemie.

Ich werde das Gefühl einfach nicht los, dass wir in einer Zeitschleife gefangen sind — so eine Art Murmeltiertag nur ohne die Möglichkeit, an diesem Tag irgendwas zu unternehmen. In einer Welt ohne Pandemie wäre ich jetzt vielleicht in Las Vegas zur CES. Mag sein, dass das auch mit der Grund dafür ist, wieso ich in den letzten Tagen wieder mal so arges Fernweh verspüre: Weil man so oft Anfang Januar dort gewesen ist und man jetzt die Quittung dafür bekommt in Form von Erinnerungen auf Instagram und Facebook. Da sieht man dann wilde Party-Bilder, unglaubliche Hotels, Messetrubel und tolle Landschaften. Und jenseits dieser Bilder hat man natürlich unendlich viele Bilder mehr direkt dazu griffbereit im Kopf.

Blick auf das Hotel Paris Las Vegas am Las Vegas Strip

Aber es ist nicht nur Vegas und diese Zeit im Jahr. Ich möchte nach London, in meine Lieblingsstadt. Schon die Tagesthemen mit dem Bericht, dass die Stadt derzeit eine Inzidenz von 1000 (!) hat, reicht aus, um mich trotz allem wieder in diese Stadt zu wünschen. Ich möchte auf Bali aus einer Kokosnuss saufen, in Tokio durch den menschendurchfluteten Bezirk Shibuya strolchen. Ich möchte mit meinen Freunden in einem Pub in London oder Manchester hocken, die Sonne genießen und diesen angenehmen Gefühls-Mix erleben, wenn Sonneneinstrahlung und Alkoholwirkung zuschlagen.

Aber all das wird nicht passieren und so Dinge wie Urlaub machen an exotischen Plätzen oder allein das in-der-Stadt-Sitzen mit ein paar Freunden — all das ist gerade meilenweit weg. Nicht eine Sekunde werde ich jetzt jammern, dass es so ist, wie es ist, weil mir natürlich jederzeit der Sinn der Maßnahmen bewusst ist, in denen wir uns gerade befinden. Aber gegen dieses Fernweh, diese Wehmut und dieses Vermissen hilft eben auch nicht die Gewissheit, dass wir hier gerade das Richtige tun.

Wir kommen da wieder hin, das dürfte klar sein. Und wer weiß, vielleicht genießen wir es dann auch ganz anders, weil wir im letzten Jahr gelernt haben, die Dinge wieder schätzen zu können. Aber trotzdem sitzt man jetzt hier, schaut sich auf YouTube irgendwelche 4K-Strände an und wünscht sich weit weg. Mag jemand mitkommen?

Artikelbild: Selbstgeknipst in Indonesien 2019 am Strand von Labuan Bajo, Komodo

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