Politik und Gesellschaft

Die kostbarste Ressource der Welt

Was ist eigentlich die kostbarste Ressource, die Ihr Euch vorstellen könnt? Gold? Erdöl? Ohsts Depeche-Mode-Sammlung? Vielleicht Geld? Oder Zeit? Ich tue mich schwer mit Superlativen, daher bin ich nicht so restlos überzeugt, ob es DIE kostbarste Ressource der Welt überhaupt gibt, oder ob da mehrere Dinge in Frage kommen. Eine der wertvollsten Ressourcen, die der Menschheit derzeit zur Verfügung stehen, ist aber zweifelsohne: Aufmerksamkeit!

Es ist manchmal erstaunlich, aus welch absonderlichen Beweggründen im Internet – oder auch generell – nach dieser Aufmerksamkeit gejagt wird. Ganz oft ist es einfach nur schlimmes Ego-Gewichse. Man braucht die Aufmerksamkeit für die eigene Sichtbarkeit, um sich zu inszenieren, um Klicks zu generieren, um Follower zu gewinnen, um Geld zu verdienen.

Aber wie so oft hat auch diese Medaille mit der Aufschrift „Aufmerksamkeit im Internet“ zwei Seiten. Ihr könnt mit dieser gewonnenen Aufmerksamkeit Scheiße bauen, oder einfach nur das Ego polieren. Zeige ich diesbezüglich mit dem Finger auf Euch, zeigen natürlich vier andere zurück auf mich. Ist mir doch klar, dass ich in meiner Bubble meine sehr überschaubare Reichweite auch manches mal dafür missbrauche, einfach nur einen miesen Gag loszuwerden. Oder mich sinnlos zu echauffieren. Oder euch zu nötigen, einen bestimmten Song zu hören. Oder euch zu erzählen, wo ich gerade bin oder was ich gerade esse trinke.

Die andere Seite der Medaille sieht aber so aus, dass wir uns theoretisch mit einem Pappschild vors schwedische Parlament setzen könnten. So wäre es in der Theorie möglich, dass ein einzelnes kleines Schulmädchen mehr Aufmerksamkeit für den Klimawandel generiert, als es Abertausende Wissenschaftler über Jahrzehnte zustande brachten. Verrückter Gedanke, oder?

Zan, Zendegi, Azadi

Ein Tweet kann reichen, um einen Berg an Aufmerksamkeit erzeugen. Er kann einen medialen Flächenbrand entfachen, auch im positiven. Stellt es Euch einfach vor wie die Flamme einer Kerze: Ihr könnt sie theoretisch spielend mit einem Pusten, einem Windstoß, sogar mit Eurer Hand ersticken. Dieselbe Flamme kann aber auch ganze Häuser abbrennen oder einen Wald. Wollt ihr die Welt auf euch aufmerksam machen, kann es eurem Tweet oder eurem Video so ergehen wie der Kerzenflamme: Euer Content erstickt unbemerkt – oder er entzündet die ganze Welt.

Und da sind wir jetzt beim Thema Iran. Ich finde es unglaublich mutig, was iranische Frauen dort auf den Straßen derzeit unternehmen. In einem Land, in denen Frauen viele Grundrechte entzogen wurden, reißen sie sich die Kopftücher herunter, schneiden öffentlich ihre Haare ab und tanzen auf den Straßen. Sie skandieren Zan, Zendegi, Azadi – Frau, Leben, Freiheit!

Das sind keine Janas aus Kassel, die sich wie Sophie Scholl fühlen. Das sind alles Menschen, die tatsächlich so tapfer sind wie Sophie damals. Weil sie sich dessen bewusst sind, dass sie fürs Protestieren mit dem Tod bestraft werden können. Die Frau, die diese Proteste, diese Revolution unfreiwillig losgetreten hat, ließ bereits ihr Leben: Die kurdischen Iranerin Mahsa Jina Amini!

Sie starb in Polizeigewahrsam, weil sie ihr Kopftuch nicht vorschriftsgemäß getragen hat. Denkt bitte im Vergleich dazu nochmal an die ganzen Querflöten, die sich hier in Deutschland in einer Corona-Diktatur wähnten und die unsere Regierung mittlerweile als Kriegstreiber denunzieren, während sie dem wahren Kriegstreiber Putin zujubeln.

Aber zurück zum Iran. Als die Berichterstattung zu den Protesten begann, vernahm ich da direkt von Anfang an einen bestimmten Unterton. Von Anfang an wurde nämlich auch immer wieder betont, wie wichtig die Sichtbarkeit für die Protestierenden ist. Wir – also die Medien ebenso wie wir, die wir die Medien konsumieren – haben längst begriffen, wie der Hase läuft: Ein Thema walzt wochenlang alles platt. Das kann ein Krieg sein, eine Pandemie – oder auch mal Layla oder Winnetou.

Daneben mag es noch zwei, drei Themen geben, die in den großen Nachrichtensendungen und -magazinen prominent auftauchen. Aber die abendliche Tagesschau geht nun mal nur 15 Minuten. Bricht in der Ukraine plötzlich ein Krieg aus, rückt selbst die zwei Jahre lang medial alles erdrückende Pandemie plötzlich ins zweite Glied.

Und so kommt es, dass Themen entweder überhaupt nie die Größe bekommen, die sie verdient hätten – oder sie verschwinden zu schnell wieder. Fragt mal die Jungs und Mädels im Jemen – deren Land wird nämlich durch einen Stellvertreterkrieg seit Jahren dem Erdboden gleichgemacht, ohne dass wir hierzulande sonderlich viel davon mitbekommen.

Aber wie gesagt: Bei den Iran-Protesten hatten die Medien von Anfang an auf dem Schirm, was für ein Desaster es für die Menschen dort wäre, sollte die mediale Aufmerksamkeit wieder verschwinden. Wissen übrigens auch die islamistischen Herrscher im Land und knipsen einfach mal das Internet aus. Es ist also nahezu unmöglich, als Protestler seine Botschaft ins Ausland zu senden und fast ebenso unmöglich, als Journalist über die Geschehnisse dort zu berichten.

Genau deswegen ist diese Sichtbarkeit, diese Aufmerksamkeit so wichtig: Solange wir hier in Deutschland und überall in der Welt mitbekommen, was dort gerade passiert, solange lebt die Hoffnung, dass die Iran-Revolution Erfolg haben kann. Ist das Regime stärker und erdrückt dieses zarte Pflänzlein des Protests, geht alles wieder seinen gewohnten Gang und die Verbrechen gegen Frauen und unterdrückte Minderheiten werden bis zum jüngsten Tag stattfinden.

Und damit bekomme ich jetzt endlich die Kurve zum eigentlichen Grund, wieso ich hier gerade in die Tasten haue: Ich habe mir nämlich eben die Viertelstunde auf ProSieben reingezogen, die von Joko und Klaas fabriziert wurde. Ihr kennt das Spiel ja vermutlich: Die beiden Moderatoren treten gegen ihren Sender in einer Game-Show an. Gewinnt ProSieben, kann der Sender die Beiden zu einer Aufgabe verdonnern, die sie übernehmen müssen. Gewinnen aber die beiden, bekommen sie zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr eine Viertelstunde geschenkt, in der sie machen und senden dürfen, was sie wollen.

Da waren schon wirklich lustige Sachen dabei, aber ganz oft auch wirklich wichtige Dinge, bei denen sich eigentlich jeder Sender fragen müsste, wieso diese Themen so aufbereitet nicht viel öfter diese Aufmerksamkeit bekommen. Heute war meines Erachtens wieder so eine Sternstunde. Weil Joko und Klaas uns eben Protestbilder aus dem Iran zeigten. Sie legten den Finger in die Wunde, was das Heischen um Aufmerksamkeit angeht und erklärten, wieso es für so viele Menschen in diesem Land gerade so eminent wichtig ist, weiterhin Aufmerksamkeit zu bekommen.

Aber die Beiden taten nicht nur das. Sie stellten uns auch zwei iranische Frauen vor, die sich zu Wort melden, die auf ihren Kanälen zeigen, was im Iran derzeit passiert und die wirklich jede Aufmerksamkeit brauchen und verdient haben. Und Joko und Klaas sind noch einen krassen Schritt weiter gegangen: Sie verschenken Aufmerksamkeit! Wie? In Form ihrer Instagram-Kanäle. Die beiden Damen – Azam Jangravi und Sarah Ramani – übernehmen ab sofort die beiden Kanäle von Joko und Klaas. Nicht für einen Tag oder ’ne Woche. Nein, für immer! Auf diese Weise erhalten die Frauen ungleich mehr Aufmerksamkeit als zuvor und wir bekommen umgekehrt auch ungefilterte Informationen über das, was sich derzeit in Iran abspielt.

Mich toucht das gerade sehr, weil es wieder einmal zeigt, dass die Menschheit eben vielleicht doch nicht so am Arsch ist und noch Hoffnung für uns alle besteht. Im Augenblick geht es aber erst einmal um die Hoffnung der iranischen Frauen. Erstmals bekommen sie aktuell auch Unterstützung von vielen Männern im Land und es ist so unglaublich wichtig, dass wir dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit im Westen nicht abbricht.

Danke daher an Joko und Klaas für diese Aktion. Und meine Bitte an euch: Folgt Ihr Joko und Klaas sowieso schon auf Instagram, dann bleibt bitte dabei und informiert euch über die Lage in Iran. Und falls Ihr die beiden Entertainer für absolut unwitzige TV-Clowns haltet, ist das auch okay – aber dann folgt den Kanälen dennoch, um euch zu informieren. Wer mag, kann auch mal die Beschreibung des Videos auf YouTube checken. Dort wird aufgelistet, wie so kleine Würstchen wie ich den Menschen bei ihrer Revolution unter die Arme greifen können.

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