Einatmen, Ausatmen
Vielleicht brauche ich mal wieder eine Internetpause. Jau, ist schwierig, wenn man im Internet arbeitet, aber ich meine auch nur den Teil des Internets, den man neben der Arbeit nutzt. Ihr kennt mich ja schon eine Weile (okay, einige kennen mich auch kein bisschen, habe ich heute wieder gelernt), also daher wisst ihr auch, dass ich manches Mal Auszeiten brauche, wenn mir die Welt wieder ein bisschen zu sehr auf den Sack geht. Erschreckt euch dann also nicht, wenn ich mal wieder ein bisschen öfter das Maul halte. Wie bzw. in welcher Frequenz ich dann hier weiterblogge, werdet ihr ja sehen, aber das Schöne am Bloggen ist ja, dass ich hier munter drauflos schreiben kann, ohne mir kilometerlange Kommentarstränge auf Facebook durchlesen zu müssen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich weiß es also selbst nicht genau, wie das für mich wieder am besten funktioniert. Vielleicht wache ich auch morgen wieder auf und denke nicht im Traum daran, auf Facebook oder Twitter das Maul zu halten.
Empathie Mangelware?
Was mich in den letzten Tagen wirklich getroffen hat, ist der Mangel an Empathie, den man mir mal mehr mal weniger offensichtlich unterstellt. Ihr könnt mir gerne erzählen, wenn ihr der Meinung seid, dass ich was Unwahres geschrieben habe, ihr generell meinen Schreibstil nicht mögt, oder was auch immer. Manchmal brauche ich ein bisschen, um einen Fehler einzugestehen, aber ich reflektiere durchaus, was ich tue und komm also da bestens mit zurecht, wenn ich auf Fehler hingewiesen werde.
Wenn man mir aber vorwirft, dass ich mich nicht in andere Menschen hineinversetzen kann oder — schlimmer noch: — es nicht einmal versuche, dann trifft mich das ins Mark. Im Laufe seines Lebens sollte man sich zumindest so gut kennen, dass man einigermaßen objektiv beurteilen kann, was man gut kann und was man so gar nicht kann. Ich bilde mir ein, dass zu meinen Stärken genau das gehört: Dass ich mich in andere Menschen reinfühlen kann und dass ich stets versuche, die andere Seite einer Medaille selbst dann zu betrachten, wenn ich mich auf der ersten Seite mit meiner Meinung komplett wiederfinde.
Kann mir doch keiner erzählen, dass wir diesen Lockdown, der genau genommen gar keiner ist, schon gar kein harter, nicht überstehen, oder? Passt auf euch auf!
Diesen Satz schrieb ich gestern in meinem Artikel von der Impf-Tabelle. Wie gut man diese Situation übersteht — darüber können wir sicher streiten. Wir können nicht darüber streiten, dass wir uns in keinem Lockdown befinden. Wenn ihr da anderer Meinung seid, lest vielleicht nochmal ein bisschen nach, denn ein tatsächlicher Lockdown würde bedeuten, dass wir alle in Quarantäne versetzt würden, alles dicht wäre — und das ist faktisch nun mal nicht der Fall.
Im Grunde stört mich das aber noch am wenigsten, wenn man mir diese Vokabel „Lockdown“ aufs Brot schmiert. Wenn man aber versucht, das mit der Unterstellung zu verknüpfen, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie schlimm die aktuelle Situation manche Menschen treffen kann, dann reagiere ich empfindlich und dann fühle ich mich auch zu unrecht getroffen. Kann man an meinem Text von gestern tatsächlich eine Idee davon bekommen, dass ich denke, dass es in Deutschland aktuell jedem super geht? Es liegt doch nicht daran, ob wir es Lockdown nennen oder nicht, dass jetzt viele Unternehmer mit dem Rücken an der Wand stehen.
Ein schlauer Mann sagte neulich über die USA, dass das Volk dort nicht einmal mehr in der Lage ist, sich auf eine einzige Wirklichkeit zu verständigen. Das Problem sehe ich hier auch immer öfter leider. Wir müssen uns — um bei diesem konkreten Beispiel zu bleiben — darauf verständigen können, dass wir in einer Pandemie leben, dass jeder von uns das Möglichste tun muss, damit es besser wird und dass wir uns NICHT in einem Lockdown befinden. Das muss eine Basis sein und mit der ist noch nichts darüber gesagt, ob es Schülern und Studierenden gut oder schlecht geht, ob es Angestellten gut oder schlecht geht, ob es Unternehmern gut oder schlecht geht — oder ob es speziell Eltern und kleinen Kindern gut oder schlecht geht. Wir können über all das doch gerne reden, aber sprecht mir doch nicht ab, dass ich mich in einen Unternehmer reindenken kann oder dass mir Einzelhändler leidtun.
Ich schreib mir doch hier echt den Arsch ab — beruflich seit vielen Jahren, hier auf dem Blog, auf Twitter und auf Facebook. Wer sich das ein paar Jahre angesehen hat und mir immer noch unterstellt, dass ich andere Sichtweisen, andere Probleme oder andere Menschen nicht in meinen Gedanken berücksichtige, oder empathisch unterentwickelt bin: Wo ist das zwischen uns schief gelaufen? Denn in dem Fall gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Ich bin ein empathischer Mensch — in diesem Fall müssen die, die mir das absprechen, sich überlegen, wieso sie seit Jahren ihre Zeit mit mir verschwenden. Oder ich bin kein empathischer Mensch und merke es selbst nicht — in dem Fall müssen die, die das erkannt haben, sich ebenfalls überlegen, wieso sie seit Jahren ihre Zeit mit mir verschwenden. Oder sehe ich das falsch?
Ich möchte dazu kurz sagen, dass ich mir jetzt für diesen Artikel zwei Fälle herausgepickt habe, die dazu dienen, dass ich erkläre, was mich gerade an der Art der Kommunikation stört. Dabei vermeide ich ganz bewusst, Namen zu nennen und mag auch niemanden an den Pranger stellen oder anzählen. Auch, wenn ich mich da heute geärgert habe, schätze ich ja trotzdem diese Menschen. Ich bin mir auch dessen bewusst, dass man unter seinen eigenen Postings tendenziell eher Beifall bekommt als unter fremden. Daher bedenkt das bitte, dass es hier nicht darum geht, jemanden vorzuführen, sondern um besser am Beispiel zu erklären, was mich umtreibt. Unabhängig davon waren es in den letzten Tagen wieder viel mehr Reaktionen, die mir merkwürdig vorkamen, ich habe mir halt diese herausgepickt. Das alles erkläre ich deswegen, weil ich oben die Screenshots habe des Postings, um das es im zweiten Fall geht.
Ehrlich gesagt würde ich mich da nämlich freuen, wenn ihr mir sagt, ob ich derjenige bin, der hier zu schroff auf das Geschriebene da oben reagiert hat. Ich antwortete, dass man sich mit „derlei Gepolter leicht den Beifall der eigenen Filterblase abholen kann“. Ich glaube, das war der Wortlaut, bin aber nicht hundertprozentig sicher, weil ich das Posting nicht mehr sehe — aus welchem Grund auch immer. Ich finde meine Reaktion — auch mit Abstand — nach wie vor angemessen, denn wenn man von „Hofnarr Lauterbach“, „Masken-Söder“ und „Marionetten der Alternativlosen in Berlin“ spricht und von „Versagen auf ganzer Linie“ und „Daumenschrauben“, dann ist das für mich Gepolter. „Tut halt wenigstens so, als würdet ihr euch Gedanken machen“ schließlich ist eine Unverschämtheit den Menschen gegenüber, die in einer Zeit das Land zu regieren versuchen, die wir so noch nie erlebt haben.
Ich habe schon einige Male gesagt, dass mich vieles an der Regierung nicht gerade begeistert, auch in der Pandemie. Das gilt auch für die Tatsache, dass man 750 Milliarden Euro EU-weit in die Pandemiebekämpfung pumpt, aber an den 10 Milliarden Euro für den Impfstoff scheitert. Aber das ist nicht der Punkt. Bei allem, was schiefläuft, sollte man auch nach wie vor versuchen, die Entscheidungen nachzuvollziehen.
Es ist kinderleicht, jetzt zu sagen, dass man lieber auf Impfstoff A gesetzt oder Summe B investiert hätte. Hinterher sind wir alle immer klüger. Aber wir wissen doch auch, dass Regieren in der heutigen Zeit auch ohne Pandemie ein reiner Eiertanz ist. Kauft die EU so ein, wie sie es getan hat, wirft man ihr vor, dass sie nicht genug investiert hat. Hätte jeder alleine eingekauft, hätte man den Deutschen vorgeworfen, ärmeren Ländern die Impfstoffe wegzukaufen. Hätte man sich nur für einen Impfstoff entschieden und müsste dann erkennen, dass der entweder nicht als erstes fertig ist, oder dass die Kapazitäten nicht reichen, würde man der Regierung ein Pokerspiel vorwerfen und fragen, wieso man nicht auf mehrere Pferde gesetzt hat.
Wie gesagt, das ist alles immer kinderleicht nachträglich, aber in der heutigen Zeit findet sich für jede Entscheidung direkt ein Pulk Menschen, der was zu schimpfen hat. Bleiben die Schulen zu, wird geheult, dass die Kinder sozial verkümmern. Macht man die Schulen auf, wird geheult, dass man Kontakte vermeiden sollen, die Kids aber dutzendweise in öffentliche Verkehrsmittel und die Klassenzimmer gepfercht werden. Ich möchte da ehrlich gesagt auch kein Politiker sein momentan.
Die Reaktion auf meinen „Gepolter“-Spruch war dann übrigens die Feststellung, dass ich das halt nicht beurteilen kann, mit Verweis darauf, dass ich halt am Tag nur ein paar Artikel schreibe und Netflix glotze. Da sind wir dann wieder an der Stelle, an der ich ernsthaft daran zweifle, dass mich dieser Mensch auch nur einigermaßen einschätzen kann. Was ist denn der Vorwurf? Dass Bloggen oder Schreiben keine richtige Arbeit ist? Dass ich nicht zu gesellschaftlichen Themen zu reden hab, weil ich keine Familie und keine Kinder habe? Oder muss ich das Maul halten, weil ich keine Kneipe oder keinen Frisörsalon besitze?
Vielleicht drehen wir den Spieß einfach um: Solange ihr nicht wisst, wie es sich anfühlt, als Single in einer Pandemie in einem kleinen 65 m² Bums zu leben. Mit Möbeln, die hier seit Jahrzehnten stehen, weil man mit der zu knappen Kohle andere Dinge tut. Als depressiver, einsamer Mann, der Tag für Tag niemanden zum Reden um sich hat, der nie auf irgendeiner Terrasse frühstückt, seit mittlerweile 17 Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gemacht hat und der in einer finanziell so haarsträubenden Situation lebt, dass er seit vielen Jahren als letztes vor dem Einschlafen an seine Probleme denkt und als Erstes nach dem Aufwachen wieder an diese Probleme. Der in der Pandemie seinen Job verloren hat und monatelang nicht wusste, wie es weitergeht – oder ob. Wenn ihr das alles nicht nachfühlen könnt, dann verzichtet vielleicht besser darauf, mir zu sagen, was ich bei anderen nachfühlen oder nachempfinden kann.
Abschließend noch eine Bitte: Niemand muss mich mögen, meinen Kram lesen, oder mir Honig ums Maul schmieren, wenn er eigentlich anders über mich denkt. Ich bin auch niemandem böse, der mich entfreundet — ich sage trotzdem jedem gern „Hallo“, wenn man sich über den Weg läuft nach der Pandemie. Aber was immer ihr tut und über mich denkt: Überlegt euch, wie ihr euch — mehr oder weniger öffentlich — äußert oder was ihr in welchem Ton kritisiert. Wenn ihr mein Wording (Beispiel „Lockdown“) falsch findet, seid euch der Bedeutung bewusst, bevor ihr mich anzählt und selbst, wenn ich mal mit einem Statement falsch liege, könnt ihr daraus nicht ableiten, dass mir andere Betroffene nicht leid tun, oder ich mich nicht in deren Lage versetzen kann.
Durch die Bank bin ich immer wieder begeistert davon, wie viele differenzierte, intelligente Menschen ich in meiner Bubble habe. Versucht aber ruhig alle mal, genau so differenziert und intelligent zu bleiben, wenn euch jemand widerspricht oder etwas schreibt, was euch nicht so passt. Es sind nicht immer die anderen, die sich irren — manchmal ist man es auch selbst und ja, ich weiß haargenau, wovon ich da rede.