Politik und Gesellschaft

Gesundheit!

Ich brauche manchmal die Hälfte der Zeit, die ich an einem Artikel sitze, allein fürs Finden der Headline. Also nicht immer, ist klar. Mal nimmt man den erstbesten Gedanken, mal grübelt man eben eine Weile. Hier hab ich jetzt wieder eine ziemliche Weile überlegt. Habe nichts wirklich Gutes gefunden, wollte aber meiner ursprünglichen Idee nicht nachkommen. Erster Gedanke war nämlich sowas wie: „Warum wir selbst Schuld sind an unserer Lage!“

Dieser Artikel wird inhaltlich genauso aussehen wie unter dieser verworfenen Headline, aber ich wollte nicht mit so einer pauschalen Anklage starten, um Euch nicht sofort zu verschrecken, bevor ich überhaupt einen Satz geschrieben habe. Deswegen habe ich mich jetzt ganz unspektakulär für „Gesundheit“ entschieden. Neben seinem eigentlichen Sinn ist es auch ein höflicher Ausruf, wenn jemand in unserer Gegenwart niest und es ist das, was man sich bei allen möglichen Anlässen für den anderen wünscht. Also scheint mir das irgendwie ganz gut zu passen und klingt auch sympathischer als „Ihr seid schuld!“ Gleichzeitig ist es aber auch herrlich abstrakt und kann alles und nichts bedeuten.

Zwei Absätze über die Überschrift diskutiert, das muss Dir auch erst mal jemand nachmachen, Drees …

Was wollte ich sagen? Ach so, es geht um die Schuldfrage und darum, dass wir so langsam besseren Zeiten entgegen gehen – falls wir nicht zu behämmert sind. Ganz vieles davon läuft bei uns nämlich deswegen so bescheiden, weil wir eben leider nun mal oft behämmert sind tatsächlich. Ich sage mal dabei, dass ich jetzt immer, wenn ich „wir“ schreibe, uns alle als in Deutschland lebendes Volk meine. Wissend, dass die meisten von Euch nicht behämmert sind und auch nicht die Schuld daran tragen, dass die Dinge so sind, wie sie sind.

Aber Fakt ist nun mal, dass dieses verkackte Virus eigentlich nicht viel auf dem Kasten hat. Es ist nicht übermäßig ansteckend, nicht übermäßig tödlich – und es ist schrecklich unbeweglich. Keine Angst, ich habe nicht das Lager gewechselt. Aber in der Tat verbreitet Corona ja nur deswegen so einen tödlichen Schrecken, weil es noch so neu ist und wir dagegen (noch) keine Medikamente haben. Das macht es schwierig, denn wir sind alle nicht immun, damit alle anfällig und somit auch alle eine Gefahr für unsere Nächsten. Ich hatte neulich, unter einem Posting von DAF-Robert eine merkwürdige Diskussion, in der – leider auch von Robert, aber auch anderen – die Gefahr kleingeredet wurde. Das macht mich traurig, dass es immer noch so viele Menschen gibt, die diese Gefahr nicht einschätzen können, weil sie diese Geschichte mit dem exponentiellen Wachstum nicht begriffen haben und es ist umso trauriger, wenn es Menschen mit Reichweite sind, die sich so äußern.

Dennoch: Das Virus allein könnte uns nichts anhaben, würden wir einfach mal alle mit dem Arsch zuhause bleiben. Würde es jetzt einen Knall geben und wir wären auf einmal zuhause eingesperrt mit genügend Verpflegung für zwei Wochen und nach diesen zwei Wochen gingen mit einem weiteren Knall wieder die Türen auf, wäre der Spuk vorbei. Ist einfach so. Dass wir das aber nicht so umsetzen können und das daher leider nur ein sehr theoretischer Gedanke ist, ist leider ebenfalls so. Aber nichtsdestotrotz muss doch unser Ziel sein, zumindest so nah wie möglich ranzukommen an diesen Zustand, Stichwort: No-Covid!

Wir sind Schuld – ist leider so!

Genau deswegen bin ich der Meinung, dass wir eine gehörige Mitschuld an dem ganzen Dilemma haben, also wir alle – der eine mehr, der andere weniger. Ja, die Politik hat einige merkwürdige Entscheidungen getroffen. Bei einigen davon hätten sie es besser wissen können oder sogar müssen, weil ihnen Expert:Innen längst entsprechende Fakten an die Hand gegeben haben. Manchmal haben sie sich einfach schuldlos falsch entschieden, weil die Situation eben eine unvorhersehbare war.

Für mich steht jedoch fest, dass viele Entscheidungen von dem Wunsch getrieben scheinen, es irgendwie allen recht zu machen, also zumindest den lauten. Wieso wird in Schulen getestet und in Betrieben (bislang) nicht? Weil die Regierungs-Flüsterer aka Lobbyisten einfach eine stärkere Stimme haben als der Rest, unterstelle ich mal. Ebenso glaube ich, dass die Politik zerrissen ist, weil eine Hälfte des Volks nach härteren Maßnahmen ruft und die andere Hälfte nach Lockerungen. Das führt dann zu den bisherigen Eiertänzen und einem Maßnahmenkatalog, der ebenso uneinheitlich wie missverständlich ist.

Aber was hält uns eigentlich davon ab, es besser zu machen? Besser, als es die Politik fordert? Da bin ich übrigens bei Gesundheitsminister Spahn, der das ja mehrfach aussprach, dass die Politik ja nicht jeden Schritt bis ins kleinste Detail ausformulieren muss. Wir können es ja ruhig auch mal von alleine durchziehen. Ja, es gibt immer irgendwie Wege, wie man sich durchmogelt, die Regeln bis zum Äußersten ausreizt und sich trotzdem damit schmücken kann, dass man sich an alles hält.

Wenn man aber „bis zu fünf Menschen“ treffen darf, darf man auch gerne dennoch allein zuhause hocken bleiben, oder sich einfach nur mit zwei Menschen treffen. In allen unterschiedlichen Stufen dieser Maßnahmen der Pandemie habe ich es auch immer wieder erlebt, wie man bis an die Grenzen des Erlaubten ging und sich damit gut fühlt. Habe ich selbst gemacht, als wir letzten Sommer auf Konzerte gehen durften und nach dem ersten Suff-Abend dort feststellen mussten, dass man sich nicht so besonders klug verhalten hat. Das war dumm, fraglos.

Ich hab versucht, das abzustellen und seit Oktober habe ich lediglich zu einem Freund – Dennis – regelmäßig Kontakt und schluffe mit ihm durch Dortmund. Ich meide Partys, treffe keine anderen Leute und ja, das fühlt sich oft kacke an. Aber es geht eben. Wir alle leben in unterschiedlichen Situationen und ich werde mir nicht anmaßen, eure Situationen einschätzen zu wollen, oder euch gar erzählen zu wollen, wie ihr euch benehmen sollt. Schließlich sitze ich alleine zuhause, hab vor der Pandemie schon im Homeoffice gearbeitet und daher hat sich für mich das Leben eben auch deutlich weniger verändert als für Leute, die verheiratet sind, zwei Kinder haben und die sich plötzlich mit Homeoffice und Homeschooling auseinandersetzen müssen. Wie gesagt: Deswegen erzähle ich euch nicht, wie ihr euch benehmen sollt. Aber ich möchte zumindest an euch appellieren, dass ihr nur noch ein klein bisschen länger durchhaltet, wenn es eure Situation zulässt.

Es wird besser, versprochen!

Aktuell geht der R-Wert nach unten, die Inzidenzen sinken und selbst die Intensivbettenauslastung ist leicht rückläufig. Gleichzeitig sind wir mittlerweile richtig schnell beim Impfen, schaffen an guten Tagen mehr als eine Million Impfungen pro Tag (!). Wir sollten aber jetzt nicht nachlassen, denn ich glaube, wenn wir jetzt durchziehen, dann sinken die Werte noch sehr viel schneller, als das aktuell der Fall ist. Das wäre deutlich besser, als wenn wir jetzt nachlässig werden und alles lockern und in zwei Wochen die Geschichte wieder von vorne losgeht.

Dadurch, dass jetzt immerhin schon mehr als ein Viertel der Bevölkerung geimpft ist, entspannt sich die Situation ja fast zwangsläufig. Dennoch sollten wir die Füße still halten, wollen wir einen angenehmen Sommer genießen. Es geht nicht darum, dass wir die Inzidenz knapp unter 100 halten – es geht darum, möglichst nah an Null zu gelangen. Also wartet bitte noch mit heimlichen Partys und großen Familienzusammenkünften. Wir werden alle dünnhäutiger und all das zerrt an unseren Nerven, ja klar. Aber kommt: Wir machen den Scheiß jetzt seit 14 Monaten oder so, da soll es doch bitte nicht auf zwei, drei Wochen ankommen.

Je besser uns das gelingt, desto eher kann auch in Eurer Stadt wieder jeder Bums aufmachen, kann die Wirtschaft wieder durchstarten und dann sehen wir nicht nur alle unsere Leute wieder, sondern kurbeln auch die Industrie wieder an und dürfen wieder auf Konzerte und Clubbesuche hoffen. Spart Euch eure Wut auf Politiker oder Maßnahmen auf für den September, wenn wir alle unsere Kreuzchen machen bei der Bundestagswahl. Aber jetzt erstmal sollten wir nochmal alle Kraft zusammennehmen und den Scheiß gesittet zu Ende bringen – ich bin sicher, dass sich das Durchhalten jetzt lohnt.

Als Bonus-Belohnung winkt die Befriedigung, dass dann alle Querdenker endgültig die Schnauze halten müssen – oder wir gespannt drauf warten dürfen, wie sie uns erklären, wieso Deutschland trotz „diesen unfähigen Politik-Darstellern da oben“ die Pandemie letzten Endes doch glimpflich überwunden hat und wieso wir im direkten Vergleich mit fast allen Ländern der Welt irgendwie besser dastehen.

Und da mit Musik alles besser geht, hier noch eine wundervolle Nummer, die ich nicht nur schon seit vielen Jahren liebe, sondern die auch im Tatort vorkam und mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging. Die Welt wäre eine bessere, würden wir alle ein bisschen mehr Madrugada hören, ich schwöre es Euch 😉

PS: Das Artikelfoto hat so circa nichts mit dem Text zu tun, ich hab einfach random aus meinem Wohnzimmerfenster geknipst 😉

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