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I’ll drink to that: 35 Jahre „Black Celebration“ von Depeche Mode

Was habt ihr gemacht, heute vor 35 Jahren? Ich hatte zwei Dinge im Kopf: Zum ersten mal ein Mädchen – vor allem aber ein Album! Heute vor 35 Jahren erschien mit „Black Celebration“ das fünfte (Studio-)Album von Depeche Mode. Ein wegweisendes Album für mich, welches ganz viel Einfluss darauf hatte, wohin die Reise meines Lebens mich führte und die Songs dieses Meilensteins haben mich so geprägt wie kein Album zuvor oder danach und mit fast 50 Jahren auf dem Buckel kann ich jetzt schon resümieren, dass es das wichtigste Album meines Lebens ist.

Zum allerersten Mal in meinem Leben kaufte ich mir ein Album bereits am Erscheinungstag und zum ersten Mal fieberte ich sogar diesem Tag entgegen. Als Vorbote von Black Celebration hatte Depeche Mode etwa einen Monat vorher Stripped veröffentlicht – jener Song, nachdem es dann tatsächlich komplett um mich geschehen war. Das erste Mal diesem Song lauschen – das hat für mich einfach so viel in Bewegung gesetzt. Ab da wusste ich, ich möchte, nein MUSS alle Lieder dieser Band kennen, ich muss unbedingt auf ein Konzert und diese Ausnahme-Band live sehen – und vor allem muss ich am 17. März um neun Uhr morgens (oder halb zehn? Keine Ahnung) in der Fußgängerzone in Unna vor einem Laden namens Schnückel stehen und darauf warten., dass der Bums aufmacht.

Schnückel war damals sehr lange die einzige Chance, aus einer ordentlichen Auswahl an Platten auszuwählen und große Teile meines Taschengeldes verballerte ich dort. 1984 bekam ich meinen ersten Plattenspieler und die erste Single, die ich kaufte, war übrigens nicht von Depeche Mode, sondern von der Rock Steady Crew. Fragt nicht 😉 An diesem 17. März wusste ich aber eben vorher schon, was ich suche und ich erinnere mich noch daran, dass ich mir nicht so recht vorstellen konnte, dass die Platte in unserem verschlafenen Nest tatsächlich direkt am Start sein würde. In meiner Welt war das irgendwie nicht selbstverständlich, dass Platten an einem Tag erscheinen, vorher aber eben schon die ganze Logistik abgewickelt wird. Ich glaube, in meinem Kopf war das eher so, dass die Vinyls ganz frisch aus dem Presswerk kommen am Release-Tag und von dort aus dann in die ganze Welt verteilt werden. Ja, Mann – ich war halt noch klein ^^ Genau gesagt war ich 14 Jahre alt an diesem Tag.

Ich stand dort und musste tatsächlich darauf warten, dass der Laden öffnet. Merkwürdiges Gefühl, morgens in der Fußgängerzone zu stehen und darauf zu warten, dass man ein ganz bestimmtes Produkt kaufen kann. Ja, nehmt das, ihr iPhone-Schlange-Steher – ich war schon Nerd, bevor ihr Mobiltelefon überhaupt buchstabieren konntet. Gleichermaßen positiv überrascht und aufgeregt kaufte ich die Platte und ich bin ziemlich sicher, dass ich den Heimweg in Rekordzeit absolvierte. Damals hab ich aber auch locker 50 Kilo weniger gewogen und war noch windschnittig.

Zuhause angekommen gab es eine Überraschung (okay, ich war nicht überrascht, weil es auf der Platte einen Sticker gab, der das bereits spoilerte), als ich nämlich die Platte aus der Hülle rutschen ließ und sie mich in grauem Vinyl anstrahlte. Ich glaube, ich habe mir die Platte das erste Mal wie in Hypnose angehört. „Black Celebration“ – der Titeltrack zog mich direkt so in den Bann. Ihr dürft nicht vergessen, dass wir damals ja keinen Schimmer hatten, wie das Album klingen würde. Die letzte Single vor der „Black Celebration“-Ära war „It’s called a heart“, ein Popsong, von dem Martin Gore später sagen würde, dass es die Veröffentlichung ist, die er wohl am wenigsten mag. Dazu kam noch die B-Seite „FlyOn The Windscreen“ und dann als Vorab-Single schließlich das unfassbare „Stripped“, welches musikalisch das Tor zu einem ganz neuen Depeche-Kosmos aufstoßen sollte.

Würde das Album also eher in die Stripped-Kerbe hauen? Wäre es eher unterkühlt morbid wie FOTW? Oder doch der auf-Nummer-sicher-Synthpop im Stile von It’s called a heart? Black Celebration wurde erfreulicherweise ein sehr düsteres, melancholisches Album, welches kein bisschen auf die damaligen Charts schielte und was den Sound angeht, wäre es konsequenter gewesen, hätten die vier Basildon-Boys Fly on the Windscreen auf die A-Seite gepackt und It’s called a heart als B-Seite genommen.

Das war übrigens auch so geplant bzw. zumindest im Gespräch innerhalb der Band. Aber nachdem einige Radiosender schon bei „Shake the Disease“ Herzflattern bekamen (alle hatten Angst vor AIDS und da war das Singen von Krankheiten nicht angesagt), wollte man nicht als nächstes eine Single rausbringen, die ausgerechnet mit „Death is everywhere“ anfängt. So oder so bin ich aber heilfroh, dass es diese großartige Nummer dann auch aufs Album geschafft hat – und bin ebenso froh, dass It’s called a heart dort nicht auftaucht.

Gerade weiß ich gar nicht, ob ich diese Geschichte auch schon mal hier auf dem Blog erzählt habe, aber ich war damals schwer verknallt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Ich lernte sie dummerweise zu spät kennen – nämlich kurz vor ihrem Umzug mit der Familie nach Köln. Wir waren noch nicht zusammen, als der Umzug abgewickelt wurde und so kam es dann, dass mich ein damaliger guter Freund besuchte und wir beide auf meiner Couch am Fenster herumlungerten, wieder und wieder Black Celebration hörten und dabei aus dem Fenster beobachteten, wie die Möbel meiner späteren Freundin in den Möbelwagen gepackt wurden.

Manche Dinge passieren einfach nicht zufällig, glaube ich. Da würfelt niemand aus, dass ich zufällig genau an dem Tag mein allererstes Herz-Mädchen verabschiede, an dem sich mit Black Celebration für mich dieses musikalische Tor öffnet. Als sie Wochen später zu Besuch nach Unna kam und wir zusammen ins Kino gingen, war bereits mit „A Question Of Lust“ die zweite Single erschienen. So, wie ich bei ihrem Auszug die ganze Zeit das nagelneue Album hören musste, musste ich auch zwangsläufig Martin Gores sensationellem Liebeslied lauschen, als wir uns Wochen später wiedersahen.

Meine Beziehung zu Depeche Mode und zu dieser Musik hätte sich ohne meine eigene Lovestory nicht anders entwickelt, davon bin ich überzeugt. Aber ich denke, die Songs aus dieser Ära sind noch einmal anders in mir verwurzelt, weil ich eben diese intensiven Erinnerungen an damals habe. Erste große Liebe – das macht nun mal was mit Menschen und wenn man dazu dann noch den perfekten Soundtrack hat, bleiben diese Momente für immer im Herzen gespeichert.

Ich war wie gesagt 14 Jahre alt, als Black Celebration erschien. Ich wusste zu dem Zeitpunkt bereits seit Jahren, dass Depeche Mode für mich eine ganz besondere Band sind. Bis die Singles-Compilation erschien, hatte ich mir aber lediglich die Singles angehört und fing also erst 1985 an, die Alben für mich zu entdecken und ich staunte, wie ungewöhnlich vieles von dem klang, was sie bis dahin veröffentlicht hatten. Diese Depeche Mode-typische Melancholie konnte man auf diesen Alben bereits erahnen, aber erst mit Black Celebration brachten die Jungs diese Düsternis und die Melancholie so unfassbar auf den Punkt.

Diese Texte, diese unglaublichen Melodien und Sound-Ideen, die ineinander übergehenden Songs, die das Album wie ein Konzeptalbum wirken ließen – all das macht Black Celebration für mich zu einem solchen Meilenstein. Ein Meilenstein für die Band und ebenso einer für mich. Das Artwork des Covers, der auf einmal so erwachsene Look der Vier und speziell das Video zu A Question of Time haben mich dann auch visuell geprägt. Selbst brauchte ich noch ein paar Jahre, bis ich auch optisch in der dunklen Szene angekommen war und ich sah 1986 noch aus wie eine Mischung aus pickeligem Nerd und einer Silvesterrakete – aber seit Depeche Mode 1986 wusste ich zumindest schon mal, was mich ansprach, sowohl musikalisch, optisch und auch stimmungstechnisch.

Eigentlich hatte ich vor, diesem Text auch noch eine komplette Rezension des Albums anzuhängen. Aber da ich jetzt schon wieder bei über 1.200 Wörtern angekommen bin, erspare ich euch das jetzt an dieser Stelle und nehme mir fest vor, irgendwann zwischen heute und dem Termin meines ersten DM-Konzerts am 22. Mai diese Rezension vorzulegen. Versprochen 😉

Somit komme ich jetzt zum Ende meines Jubiläums-Artikels für dieses außergewöhnliche Album. Ganz sicher werde ich also noch eine Rezension schreben, in der ich Song für Song durchgehe und ganz sicher werde ich auch in anderen Blog-Beiträgen immer mal wieder auf diese Zeit und damit auf dieses Album eingehen, aber jetzt lege ich die Tastatur mal zur Seite, lege mich mit Kopfhörern ins Bett und genieße nochmal von Anfang an die Black Celebration. Los, Mr. Daniel Miller – sagen sie es nochmal: „A brief period of rejoicing“

PS: Wenn ihr nicht genug bekommen könnt von alten Männern, die vom Krieg von Black Celebration erzählen, dann lest euch unbedingt auch Niggels‘ auf englisch verfassten Text durch, den er für das großartige Blog Almost Predictable des ebenso großartigen David McElroy verfasst hat. David hat damals übrigens einen ganzen Monat täglich Artikel zu Black Celebration veröffentlicht, also lest euch da mal ruhig fest 😉

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