Depeche ModeMusik

Memento Mori ist da … fast

Ich habe gerade eben eine Runde durch Dortmund gedreht. Schritte machen, Döner kaufen, dies das. Und es fühlte sich merkwürdig an. Irgendwie liegt eine Stimmung in der Luft, die an besondere Abende erinnert. Der Abend vor Weihnachten zum Beispiel, oder der vor Silvester. Es ist ein Knistern in der Luft, als findet gleich das WM-Endspiel statt und zwar mit unserer Elf und in einem Land, in dem ein Turnier echt Sinn ergibt. Normale Menschen würden es vermutlich auch mit dem Vorabend des eigenen Geburtstags vergleichen.

Es ist aber eben ein Zustand, der sich nur für mich so anfühlt. Man sieht die Passanten, die einem entgegenkommen und wundert sich, wieso sie nicht dieses Lächeln ins Gesicht gemeißelt haben wie man selbst. Man möchte ihnen zurufen: „Was ist los mit Euch?“ „Seid Ihr nicht aufgeregt?“ „Werdet Ihr es gleich nicht direkt hören und dann nochmal und nochmal?“.

Nein, werden sie nicht. Die meisten werden nicht mal wissen, dass ab Mitternacht mit dem 24. März 2023 der Tag angebrochen ist, an dem Depeche Mode ihr neues Studioalbum herausbringen. Schlimmer noch: Es wird sie nicht mal interessieren, was die Band macht und – ich mag es kaum aussprechen – manche wissen nicht einmal, dass die Band existiert!

Aber wisst ihr was? Das kümmert mich nicht. Ab Mitternacht ist hier Feiertag. Da werde ich mich mit dem Kopfhörer auf meiner spärlich behaarten Birne zurückziehen und Memento Mori hören – und dann nochmal und nochmal. So lange habe ich gewartet seit Spirit. Jenes Album, dass mich im Rahmen der Tour mit wundervollen Menschen an fantastische Orte führte und Erinnerungen schuf, an die ich noch in 100 Jahren denken werde. Okay, nicht übertreiben, ich bin alt. Also eher so in 30 Jahren … oder wenigstens 20 … okay, ein paar der Erinnerungen hab ich ehrlich gesagt schon verdrängt und an manche Situationen konnte ich mich von Anfang an nicht erinnern. Weil mutmäßlich vereinzelt Kaltgetränke gereicht wurden und sich unsereins so manche Nacht nur noch mithilfe der gespeicherten Fotos auf dem Handy ins Gedächtnis ruft.

Aber ich drifte ab. Hier ist Feiertag, das wollte ich sagen. Meine Kollegen werden morgen früh in unserem täglichen Meeting fragen, ob ich gekokst habe, oder ob ich so dämlich grinse, weil mir einer ins Knie geschossen hat und das Gesicht so stehen geblieben ist. Vielleicht werden sie auch einfach nur fragen, ob ich jetzt mal endlich die Scheiß-Musik aus oder wenigstens ein bisschen leiser machen könnte.

Fünf Jahre seit Spirit. 37 Jahre, seit ich erstmals am Releasetag morgens beim Plattendealer meines Vertrauens wartete, dass der Bums aufmacht und ich mit meiner Black Celebration zurück an den heimischen Plattenspieler sprinten kann. Wieder und wieder saß ich da, Album für Album. Und immer wieder war es ein wundervolles Kennenlernen. Mal schockverliebt vom ersten Ton an, mal fand man sich erst mit der Zeit in sperrige Songs rein. Aber die Momente, erstmals wieder ein Bündel neuer Songs dieser Band hören zu dürfen, waren jedes Mal wieder besonders.

Es ist, als kommen neue Freunde zu Besuch und bleiben für immer. Und gleich stehen sie auf der Matte: Ein Dutzend neue Kumpels, die gekommen sind um zu bleiben. Über die Jahre sind Hunderte dieser Freunde entstanden. Manchmal sieht man einen ’ne Weile nicht mehr, aber dann freu ich mich umso mehr, wenn er wieder mal auf der Matte steht. Manchmal bringen sie mich zum Schwärmen, manchmal zum Weinen. Mal trösten sie mich, mal motivieren sie mich und ganz, ganz oft machen sie mich glücklich.

Dann überlege ich sehr angestrengt, wie Menschen eigentlich leben, die keine Musik als feste Größe in ihren Leben haben. Ich könnte das nicht. Ich brauche Musik wie Bier Luft zum Atmen. Und vor allem brauche ich diese Band. Jeder Song und jedes Album malt mir in bunten Farben wunderbare Erinnerungen in meinen Kopf und entführen mich zurück in die Zeit, in der ich diese Songs kennenlernte. Oder führt mich zurück zu Situationen, in denen wieder einmal ein bestimmter Song dazu führte, dass eine außergewöhnliche Situation noch denkwürdiger wurde.

Ich sollte mich vielleicht schon mal entschuldigen. Ich werde wieder unangenehm oft posten, dass ich schon wieder dieses Album höre. Ich fürchte, ich werde eine unangebracht lange Album-Kritik schreiben müssen. Vermutlich werde ich auch … oh, Moment. Es klopft gerade an die Tür. Dem Geräuschpegel nach stehen da 12 neue Freunde vor der Tür – zwei Bekannte und die haben noch zehn Kumpels dabei. Wir lesen uns bald wieder, ihr Lieben – aber jetzt möchte ich erstmal meine neuen Freunde kennenlernen und ich hoffe, Ihr macht das auch. Happy Release Day!

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